Lebenslauf Lothar Popp

Foto Popp 1908 Foto Popp Mitte der 1920er
Popp ca. 1908,
Familienbesitz
Popp Mitte der 1920er
Staatsarchiv Hamburg

 

Geboren: 7.2. 1887 Furth i. Wald als Sohn eines Unterbeamten (königlich bayrischer Bahnhofsvorsteher,6); kath., später ausgetreten (2)

Volksschule und Handlungsgehilfenlehre in Augsburg (2)

Mit 16 von zu Hause weggelaufen (4)

1904 - 1914 Arbeiter und Kleinhändler in Hamburg (2); er holte die Mutter nach, der Vater war früh verstorben (6)

1906 Mitglied des Monistenbundes ("Freidenkerverband") (4)

Trat 1912 in die SPD ein, weil er gehört hatte, dass Bebel und W. Liebknecht die Kriegskredite verweigert hatten (1)

Trat am 4. August 1914 in die Deutsche Friedensgesellschaft (Curio Haus in Hamburg) ein, weil die SPD Fraktion die Kriegskredite bewilligt hatte. (1)

Nach dem Tod der Mutter zog er nach Kiel, wo er drei Zigarettenläden übernehmen konnte. (6) Nach Aussagen Otto Preßlers besaß Lothar Popp einen "Bonbon-Laden" in der Holstenstrasse und einen in der Elisabethstrasse. Nach Aussagen von Gertrud Völcker hatte er einen Vertrieb von Süßwaren, die in Bordesholm von einem Sympathisierenden hergestellt wurden.

1915 wurde er eingezogen, 20 Monate Soldat, Anfang 1917 als dienstuntauglich nach Kiel entlassen, um auf der Germaniawerft als dienstverpflichteter Schlosser zu arbeiten. (4)

Zunächst im Rahmen der SPD in Kiel aktiv. Streikteilnahme März 1917 (keine aktive Rolle, "da war ich gerade erst gekommen.") (1)

Wohnte in der Nähe vom Wilhelmplatz in der Ringstrasse 51 (1)

Gründete in Kiel mit ca. tausend Mann den Sozialdemokratischen Verein Groß-Kiel - alte Richtung, eine lokale Organisation, die es nur in Kiel gab. Erster Vorsitzender war W. Sens, der ein Holzbein hatte und deshalb nicht eingezogen werden konnte. Weitere Vorstandsmitglieder neben Popp: Palavizini, Güth. Der Verein ging später in die USPD über. Vorsitzender des USPD-Bezirks Wasserkante war der Bremer Reichstagsabgeordnete Alfred Henke (1 und 4).

Beteiligung am Januar Streik 1918 in Kiel. Bei einer Streikversammlung auf dem Wilhelmplatz organisierte er den ersten Arbeiterrat in Deutschland und wurde per Akklamation zum Vorsitzenden gewählt. Am Tag darauf wurde er verhaftet und für das Abhalten einer verbotenen Versammlung mit zwei Monaten Gefängnis bestraft, die er in Neumünster absaß. (1 und 4)

Nach der Entlassung bekam er auf der Werft keine Beschäftigung mehr. Die Vertrauensleute der USPD haben tagelang gesucht, bis sie ihn bei Gebrüder Genimb-Motorenwerke unterbrachten. Dort hat er 9 Tage gearbeitet und sich danach krank gemeldet. Bis zur Revolution war er nicht mehr fest in Arbeit, was er sich leisten konnte, da er finanziell abgesichert war. (4)

Führer des Kieler Matrosenaufstands im November 1918 zusammen mit Karl Artelt. Popp sorgte für eine solide Basis der zunächst spontan gebildeten, unstrukturierten Soldatenräte durch Wahlen in allen Einheiten. Am 7. November wurde er zum Vorsitzenden des Obersten Soldatenrats gewählt. Am 10. Dezember wurde er von Karl Artelt abgelöst. Er blieb jedoch politischer Beirat des Obersten Soldatenrats ("Republik" Zeitung der USPD, vom 11. Dezember 1918). Dies aber vermutlich nur pro forma, denn er betonte in späteren Interviews, er habe sich um den Soldatenrat nicht mehr gekümmert, seit die Entscheidung für die Nationalversammlung gefallen war.

Die Auswirkungen seiner damaligen Arbeit beurteilte er im Rückblick 1978 folgendermaßen: "Wir waren keine Revolutionäre, denn wir kämpften nicht für eine Sache, sondern wir wollten eine verrückte Sache beenden. Als wir dann plötzlich die Macht in den Händen hatten, da wollte ich aus dem Zusammenbruch des Kaiserreichs was machen. In Abstimmungen konnte ich Noske - der gekommen war, um alles abzuwürgen - noch schlagen, aber in der praktischen Arbeit war meine Gruppe dem Noske unterlegen. Wir wurden müde. Die Revolutionäre wollten nicht die Revolution, sie wollten die Nationalversammlung in Berlin." Lothar Popp sieht in der Verlagerung der politischen Verantwortung von den Arbeiter- und Soldatenräten zu den politischen Machern der Nationalversammlung, die - wie er zugibt - von den Arbeitern und Soldaten gewollt war, den „ersten Schritt zum späteren Untergang der Weimarer Republik". (8)

Anfang Februar 1919 wird Popp im Organ der USPD ("Republik") erwähnt; er hält eine Rede auf dem Kieler Wilhelmplatz anläßlich der sich verschärfenden Situation für die Bremer Räterepublik. Danach kehrte er zurück nach Hamburg.

Er betätigte sich als Straßenhändler und Schausteller u.a. auf dem Hamburger Dom und begründete den Verband der ambulanten Gewerbetreibenden und der Schausteller. (6)

Trat auf dem Vereinigungsparteitag in Halle 1922 wieder der SPD bei (1)

Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft 1924-1931 (3), erfolglose Kandidaturen für den Reichstag (2)

Foto Popp 1941 Foto Popp 1960 Foto Popp in Kiel 1974
Popp ca. 1941
Familienbesitz
Popp ca. 1960
Familienbesitz
Popp in Kiel 1974
Familienbesitz

Zog ca. 1931/32 nach Danzig, wo er Spielzeug und selbst hergestelltes Putzpulver verkaufte. (6))

Er ging 1933 nach Prag in die Tschechei. Als die Nazis einmarschierten, fuhr er im Kurswagen über Linz und die Schweiz nach Paris. Mit der Besetzung Frankreichs durch die Nazis floh er nach Marseille (6). Er wurde von den Nazis ausgebürgert (sein Name taucht jedoch nicht in den Ausbürgerungslisten auf; vgl. Michael Hepp, Ausbürgerungen deutscher Staatsbürger, München 1985) (3). 1941 fuhr er mit der Winnipeg nach Martinique. Die Winnipeg hatte zwei Touren mit Spanienkämpfern nach Südamerika gemacht, eine geplante dritte Tour konnte nicht mehr stattfinden, weil die Nordküste blockiert wurde. Die Organisation von Eleanore Roosevelt nutzte dann das Schiff um Verfolgte aus Deutschland herauszuschaffen. Lothar Popp konnte einen Tag vor dem Auslaufen an Bord kommen, weil er einen Matrosen kannte. Breitscheid und Everding wurden verhaftet, bevor sie an Bord gelangten und wurden später an die Nazis ausgeliefert. Die Winnipeg kam aber nicht nach Martinique sondern wurde von einem britischen Kriegsschiff aufgebracht und nach Trinidad geleitet. Dort wurden die Emigranten in ein Lager gesperrt. Nach einiger Zeit durften jedoch jene, die US Visa besaßen ihre Reise fortsetzen (7). Popp fuhr nach New York (6). In den New York Passenger Lists, 1820-1957 findet sich folgender Eintrag: Lothar Popp, 54 Jahre alt, Single, Kaufmann, Geboren in Furth, Germany, Visa ausgegeben in Marseille, Frankreich, letzte permanente Adresse: France, Marseille trifft am 6.6.1941 an Bord der S.S. Evangeline von Trinidad. BWI. in New York ein (5). Er wurde von Brauer, Weichmann und Katz empfangen und vorübergehend in einem von SPD-Emigranten angemieteten Haus untergebracht. (6)

Amerikanische Staatsbürgerschaft und Geschäft in New York: „Lothar Popp Import and Export, Manufacturer of Educational Toys Microscopes and Musical Instruments, 446 East Str. 84th Street New York“. Außerdem gründete er zusammen mit Richard Kramer das Geschäft „ELK Company“ 240 East 86th Street in New York, in dem Süßigkeiten insbesondere Marzipan von Hand gefertigt und verkauft wurden. (6)

Er schrieb für die in Amerika erscheinende „Neue Volks-Zeitung“. (6)

Kam 1949/50 wieder nach Deutschland zurück, blieb jedoch nur einige Monate, weil er die amerikanische Staatsbürgerschaft behalten wollte. Er kam dann öfter für mehrere Monate nach Deutschland, die Familie besuchte ihn auch in den USA, bis er sich schließlich wieder in Hamburg niederließ. Das war inzwischen möglich, ohne dass er Gefahr lief, die amerikanische Staatsbürgerschaft zu verlieren. Er blieb amerikanischer Staatsbürger. (6)

Er wurde Ehrenvorsitzender des von ihm gegründeten Verbands der ambulanten Gewerbetreibenden und Schausteller (6). Sein Sohn Werner Popp war nach dem Krieg zeitweilig erster Vorsitzender. Ernst Harberger, der Halbbruder Lothar Popps war nach dem Krieg bis zu seinem Tod Vorsitzender der Fachgruppe ambulanter Händler. Harberger hatte selbst einen ambulanten Obstsstand vor der Klosterburg gegenüber dem Hauptbahnhof. (6)

Nach dem Tod seiner ersten Frau Anna heiratete er erneut (1957) und betrieb mit seiner neuen Frau Martha ein Cafe. Er war weiterhin aktives SPD Mitglied. (1)

Interviews für NDR und WDR Dokumentar-Filme über seine Rolle im Kieler Matrosenaufstand

Er hatte insgesamt fünf Söhne (6). Er starb am 27.4.1980 in Hamburg (2)

Referenzen:
1 Popp's eigene Angaben im Interview 1978 >>
2 Schröder, Wilhelm, Heinz, "Sozialdemokratische Parlamentarier....", Droste Verl., Düsseldorf, 1995; Internet-Datenbank >>
3 Hinweise von Angelika Voß-Louis von der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg
4 Interview-Notizen von Dr. Volker Ullrich >>
5. Siehe www.ancestry.de; BWI steht vermutlich für: British West Indies (damals Jamaica, Barbados, Trinidad, Grenada, Antigua, St. Lucia, and the Bahamas.)
Bei www.ancestry.de wird Trinidad Cuba angegeben, das widerspricht aber der Angabe im eingescannten Dokument!
6. Informationen von seinem Sohn Lothar Fertig, 2009
7. Vergleiche Lisa Fittko, Mein Weg durch die Pyrenäen, dtv sowie Varian Fry, Auslieferung auf Verlangen, Hanser, München 1986
8. Bernd Michels: Kieler Matrosenaufstand von 1918 - „Wir waren keine Revolutionäre“, in „Sozialdemokrat Magazin“, Heft 11/12 November /Dezember 1978

Veröffentlichungen:
1 Popp, Lothar in Zusammenarbeit mit Artelt, Karl: Ursprung und Entwicklung der November-Revolution 1918, in: Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte - Sonderveröffentlichung 15, Kiel 1983. (Originalausgabe Ende 1918 beim Hermann Behrens Verlag in Kiel, Vorwort datiert am 13. Dezember 1918)
2 Popp, Lothar: Das Gesundheitsbrevier - Lange und glücklich leben durch vernünftig leben, Hamburg Möven-Verlag 1977

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Last updated 26. Mai 2022

 
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