Zutritt verwehrt !

2. November 1918

Die Anzahl der Teilnehmer an der für diesen Tag geplanten Versammlung sollte gering gehalten werden. Die städtische Regierung wollte nicht, daß weitere sich dieser Masse der Matrosen anschließen. Deshalb riefen sie u.a. in einer Anzeige der Schleswig- Holsteinischen Volkszeitung ihre Mitmenschen auf, Pflicht und Ruhe zu bewahren, was nur durch strenge Disziplin zu erreichen sei. Dennoch versammelten sich zur verabredeten Zeit doppelt so viele Menschen wie am Vortag vorZwei - Matrosenmarsch.jpg (53541 Byte) dem Gewerkschaftshaus. Die Marinestation griff ein: Den Marineangehörigen wurde der Zugang verboten. Da auch das Lokal "Harmonie" in der Faulstraße seine Türen geschlossen hielt, marschierte man zum großen Exerzierplatz im Vieburger Gehölz. Dort befanden sich um 19.30 Uhr ca. 500- 600 Personen. Es waren vorwiegend Matrosen des III. Geschwaders anwesend. Man berichtete nun unter freiem Himmel über die Stimmungen auf den Schiffen. Am Rande der Kundgebung gab es auch erste Kontakte zu Vertretern der USPD in Kiel. Einer der Hauptredner war Karl Artelt, ein Arbeiter bei der Germaniawerft, der schon 1917 an Demonstrationen teilgenommen hatte. Als Streikführer wurde er damals zu sechs Monaten Faulstraße.jpg (33824 Byte)Haft verurteilt. Später wurde er militärische Fachkraft bei den Torpedowerkstätten. Artelt war der einzige Redner an diesem Abend, der über die üblichen Themen hinausging. So forderte er u.a. die Niederkämpfung des Militarismus und die Beseitigung der herrschenden Klassen, auch wenn dieses nur mit Gewalt gelingen würde. Man verständigte sich auf eine weitere Versammlung am folgenden Tag, Sonntag, den 3. November, am gleichen Ort. Noch in der Nacht setzte sich Artelt mit einem Vertrauensmann der USPD, Lothar Popp, im Parteibüro der USPD in der Preußerstraße zusammen, um zu beratschlagen, wie die Versammlung am effektivsten unterstützt werden könnte.Zwei - Vieburger Gehölz.jpg (54889 Byte) Sie beschlossen die Veranstaltung auch innerhalb der Arbeiterschaft publik zu machen und daher hektographierten sie noch Flugblätter mit der Aufschrift: " Kameraden, schießt nicht auf eure Brüder! Arbeiter demonstriert in Massen, laßt die Soldaten nicht im Stich!"
Die Marineführung in Kiel unterschätzte die Lage an diesem Tag noch vollkommen, und so vertagte man sich auf folgenden Tag, insbesondere Souchon war auf Einschätzungen zur Lage in der Kieler Bevölkerung auf andere angewiesen. Zu dem vom Militärpolizeimeister befohlenen Verhaftungen am Gewerkschaftshaus, kam es an diesem Tag nicht, weil die Ersatz-See-Bataillone den Befehl nicht befolgten und sich nur passiv verhielten. Dies zeigt, daß Befehl und Gehorsam nicht mehr dem altgewohnten Muster folgte.

Gehölz.jpg (84597 Byte)

1. November 1918           Zurück zum Kalender           3. November 1918


Foto oben: Umzug von Matrosen beim Ausbruch der Revolution in Kiel - aus: H. Sievert, Kieler Ereignisse in Wort und Bild, Kiel 1973, Bild 26

Foto unten: Ehemaliger Exerzierplatz im Vieburger Gehölz